Target statt Futterlocken?
Unter den „fortschrittlichen“ HundeführerInnen hat es sich herumgesprochen, dass Futterlocken out ist. Dafür ist Clickern in. Da man aber will, dass der Hund schnell was tut, wird das Futter einfach durch den Handtarget ersetzt…
Auf diese Weise geht das ausschlaggebende Element des Clickerns verloren: die Grundüberlegung, dass der Hund eigenständig Verhalten anbieten soll. Der Hundeführende wählt dann die Aktivitäten aus, die in die gewünschte Richtung gehen – bis er das Endverhalten geformt hat. Der Hund ist also nicht mehr passiver Signalempfänger, sondern bietet aktiv Verhalten an.
Ein „sauberes“ Clickertraining wird so aufgebaut:
Der Hund bekommt die Aufforderung, Verhalten anzubieten
Man sagt das Signalwort, mit dem dem Hund angekündigt wird, dass jetzt eine Clicker-Sitzung kommt, d.h. dass er Aktivitäten zeigen soll.
Die meisten Hunde bekommen schon bei den Vorbereitungen zum Clickern – das Futter wird hergerichtet und der Clicker geholt – glänzende Augen und warten gespannt darauf, dass es endlich los geht.
Kommt dann das Signal, fangen sie sofort an, ihr Programm abzuspulen.
Freies Shapen
Natürlich muss der Hund aber erst mal lernen, aktiv zu sein, Verhalten anzubieten. Das lernt er über Shapen (=Formen) am Gegenstand und freies Shapen.
Damit der Hund Shapen am Gegenstand lernt, kann man ihm eine Kiste hinstellen und dann jede Aktivität klicken, die er in Bezug auf die Kiste zeigt:
- in Richtung Kiste gucken
- auf die Kiste zulaufen
- die Kiste anstupsen
- die Kiste schieben
- die Vorderpfote in die Kiste stellen
- in die Kiste steigen
- …
Das ist aber eine Disziplin, die häufig von den HundeführerInnen völlig vernachlässigt wird oder nicht wirklich als Shapen ohne konkretes Ziel durchgeführt wird.
Ich erlebe es immer wieder: hat der Hund erst einmal verstanden, dass er etwas mit der Kiste machen soll und stellt z.B. die Pfote in die Kiste, dann wird auf einmal nicht mehr jede Aktivität mit der Kiste geclickt, sondern nur noch, wenn die Pfote reingestellt wird. Das war aber nicht das Ziel dieser Übung!
Ziel war es, jede Aktivität mit der Kiste zu clickern.
Das fällt uns gar nicht so leicht, wir ändern fast automatisch die Anforderungen. Also: Kopf leeren und alles clicken!
Hat der Hund einmal verstanden, dass es sich lohnt, Verhalten anzubieten, können wir auch Verhalten frei shapen, d.h. ohne Gegenstand arbeiten.
Verhalten formen
Hat der Hund das Shapen gelernt, können wir darüber verschiedene Verhaltensweisen erarbeiten. Das können Tricks sein, das exakte Fußlaufen oder das Ablegen in der Box usw.
Habe ich ein Trainingsziel, wird jede Aktivität, die in die gewünschte Richtung geht, geclickt und belohnt. Dabei sollte immer darauf geachtet werden, dass die Aufgabe in kleinste Schritte zerlegt wird und die Clickerfrequenz hoch ist.
Und wir sollten offen für die Lösungswege des Hundes sein. Wir neigen dazu, unsere Hunde „mental zu mobben“. Wir meinen bereits zu wissen, welche Schritte aufs Ziel der Hund zu zeigen hat und clicken dann natürlich auch nur, wenn genau das kommt, was wir erwarten.
Nun gibt es aber bekanntlich viele Wege zum Ziel. Und mit unserem starren Plan werden wir der Kreativität des Hundes nicht gerecht. Freuen Sie sich an der Kreativität Ihres Hundes!
Ansatzverhalten
Manchmal zeigt der Hund einfach kein Ansatzverhalten, aus dem sich das gewünschte Verhalten formen lassen könnte. Meist ist es aber so, dass wir nur noch nicht geübt genug sind, um es zu erkennen und/oder gleich zu große Schritte erwarten.
- Soll der Hund z.B. ein Objekt mit der Nase anstupsen, dann wird er es zuerst anschauen, das bedeutet, dass die erste Bewegung in Richtung Objekt verstärkt werden muss
- zum Schäm-Dich muss der Hund das Gewicht von der Pfote nehmen und/oder die Pfote anheben
Target
Eine der ersten Übungen, die ein Clicker-Hund lernt, ist der Target. Der Hund lernt, den Target mit der Nase anzustubsen. Als Target nimmt man oft eine Fliegenklatsche oder einen Zeigestab. Auch die offene Handfläche kann als Target genutzt werden.
Target statt Locken
Viele HundeführInnen meinen nun, den Stein der Weisen gefunden zu haben: sie nutzen den Handtarget, um Ansatzverhalten beim Hund hervorzulocken. Das ist durchaus sinnvoll, wenn diese Hilfe nur ein paar Mal genutzt wird…
Der Hund hat ja gelernt, die Hand mit der Nase zu berühren –also wird er der Hand mit der Nase folgen.
Aber das wird jetzt für jede Übung eingesetzt und eben nicht nur die ersten paar Male, um das Ansatzverhalten zu provozieren, sondern recht lange. So wird der Target als Dauerhilfe installiert. Damit erstickt man natürlich jede Eigeninitiative des Hundes. Er bietet jetzt ja kein Verhalten mehr an, sondern zeigt ein vorgefertigtes Verhalten.
Wo ist da der Unterschied zum Futterlocken? Ich sehe keinen. Der Hund wird mit dem Target gelockt, er wird bestätigt und bekommt seine Belohnung. Was hat der Hund dabei gelernt? Nichts! Er folgt passiv der Hand, entwickelt keine eigenen Ideen.
Und es ist wie beim Futterlocken auch: fehlt die Hand, wird das gelockte Verhalten nicht angeboten. D.h. man muss die Hilfe Handtarget Stück für Stück abbauen. Das könnte man sich sparen, hätte sich der Hund die neue Übung eigenständig erarbeitet.
Das dauert bei den ersten Aufgaben vielleicht etwas länger als die Lockerei mit dem Target, aber Übung macht bekanntlich den (Clicker-)Meister. Hunde, die es gelernt haben, sich neue Verhaltensweisen aktiv zu erarbeiten, werden von Mal zu Mal schneller in der Problemlösung.
Fazit: Der Unterschied zwischen Clickern und Clickern
Mit der Target-Lockmethode arbeitet der Hund nur eingeschränkt selbständig und die Hilfe Target muss natürlich auch wieder abgebaut werden. Das dauert seine Zeit…
Ist das Ziel aber ein Hund, der eigenständig Verhalten anbietet, dann wird jede neue Aufgabe über das Shapen erarbeitet. Und so ganz nebenbei entwickelt der Hund Strategien, sehr schnell auch komplexe neue Verhaltensweisen zu lernen.