In den letzten Wochen wird viel über die Show von César Millan, die jetzt auch im Deutschen Fernsehen ausgestrahlt wird, diskutiert.

Angesehene HundetrainerInnen und WissenschaftlerInnen sind sich darin einig, dass die Methoden von Millan zu verurteilen sind.

Hier ein Bericht einer amerikanischen Hundehalterin, die das leider auf Kosten ihres Hundes gelernt hat.

Meine Reise über das Flüstern hinaus

Von Ligia Morris in Beyond Cesar Millan

Ich erinnere mich nicht mehr genau, wann ich zum ersten Mal die Show des Hundeflüsterers auf Nat Geo angeschaut habe, aber es muss so 2003 oder 2004 gewesen sein. Ich bin keine professionelle Hundetrainerin, aber ich habe mich immer sehr für dieses Thema interessiert. Ich arbeite zu der Zeit als Kostümbildnerin in der Film-, Fernseh- und Unterhaltungsindustrie und lebte in Los Angeles, Kalifornien.

 Warum interessierte mich diese Show?

  1. Der Name – der zurück geht auf den Pferdeflüsterer Buck Brannaman, der mir ein Begriff war und über den ich gelesen hatte.
  2. Der Titel „Hunde-Psychologe“ – ich konnte ja nicht ahnen, dass Nat Geo eine Show ausstrahlte mit einem Psychologen, der keiner ist.
  3. Die 5 Minuten dauernden „Schnellen Lösungen“ und gezeigten Ergebnisse.
  4. Die Verbindung mit Nat Geo
  5. Weil er Pit Bulls vor dem Tod gerettet hat.

Ich hole mal ein bisschen aus, um meinen Hintergrund zu verdeutlichen. Als ich von New York nach L.A. zog, hatte ich zwei Dackel.

In New York hatte ich Schwierigkeiten mit dem Sauberkeitstraining bei meiner älteren Hündin. Deshalb kaufte ich mir mein erstes Hunde-Erziehungsbuch: Dog Friendly Dog Training (Hundefreundliches Hundetraining) von Andrea Arden. Um die Übungen des Buches auch richtig umzusetzen, engagierte ich einen der im Buch empfohlenen Trainer der Humane Society. Das war also mein Einstieg ins Hundetraining.

Wenn ich etwas Interessantes sehe oder lese und die Gelegenheit und das Geld habe, dann engagiere ich jemanden. Außerdem gab es damals noch nicht so viele youtube Videos, auf denen TrainerInnen ihre Methoden zeigten.

Ich zog aus einer Wohnung mit Kochnische in New Yorks  East Village nach L.A. in ein schnuckeliges Haus mit schnuckeligem Garten hinter dem Haus. Dahinter dehnte sich eine parkähnliche Parzelle aus, die sich The Red Line Trestle Footings nennt.

Der perfekte Ort also, um meine Traumrasse zu halten: einen Fila Brasileiro. Ich hatte mich gründlich informiert, um einen guten Züchter zu finden (das ist eine eigene Geschichte) und bin mit einem Züchter, der mir sehr empfohlen wurde, reingefallen.

Dieser erste Fila starb mit ca. 1 Jahr an einer Immunstörung – ich war untröstlich. Später erst realisierte ich, dass es eigentlich ein Glück war. Der Hund war hochreaktiv und hätte mich gebissen, wenn ich mich ihm genähert hätte während er am Tor bellte. Das gehört nicht zu den Wesensmerkmalen eines Fila.

Aber ich engagierte eine Hundetrainerin, die mir zeigte, wie ich mit dem Hund umgehen sollte. Sie setzte ein bisschen Training über Belohnung ein, empfahl aber auch ein Stachelhalsband. Sie hatte an einigen Seminaren von Ian Dunbar teilgenommen.

Der Tod von Biggie machte mich sehr traurig. Mein Mann schenkte mir einen anderen Fila. Diesmal bekamen wir einen Fila Brasileiro aus einer Showlinie. Vorsicht: „Haustierqualität“ ist bei manchen Züchtern der Code für „Tierarztqualität“. Zu dieser Zeit wurden die ersten Folgen des Hundeflüsterers auf Nat Geo ausgestrahlt und so nahm ich die Gelegenheit wahr und rief in seinem Psychologisches Zentrum an, um einen Beratungstermin zu vereinbaren.

Mein wunderbarer Hund Cherokee war ungefähr fünf oder sechs Monate alt, als er Cesar traf. Meine Dackel waren ungefähr 3 beziehungsweise 2 Jahre alt. Es klappte ziemlich gut. Er (CM) kam mit mir herein und man konnte wirklich spüren, dass die Hunde von ihm beeindruckt waren. Ich gestehe, dass etwas an ihm ist, das die Hunde beeindruckte.

Dennoch wies er mich sofort darauf hin, dass ich sie dominieren sollte, und dass Cherokee mit den kleinen Dackeln um die Vorherrschaft konkurrierte. Und er zeigte mir dann noch, wie ich mit meinem Fila-Welpen laufen sollte – das alles mit viel „tssss“, Leinenrucken, Krallenhänden an Hals und Körper. Wenn ich jetzt darauf zurückblicke, erinnere ich mich, wie eingeschüchtert meine kleinen Hunde waren und wie mein 6 Monate alter Fila in sich zusammmen gefallen ist.

CM erklärte mir, dass mein FB nicht gegenüber dem kleinen Hund die die Lefzen hochziehen dürfe. Er sagte, ich nähme das nicht wahr, weil ich die Körpersprache der Hunde nicht verstehen würde.

Ich versuchte ihm zu erklären, dass bei uns im Hause alles freundlich und ruhig zuginge und dass ich eigentlich nur ein paar Hinweise wollte, ob irgend etwas nicht Normales vorgehen würde.

Er hörte mir überhaupt nicht zu und sagte mir schließlich, dass der FB keine Rasse für mich sei. Den könnte nur eine Alpha-Persönlichkeit führen und seiner Meinung nach sei ich keine.

Nach diesem Besuch war ich davon überzeugt, dass alles, was ich bisher gemacht hatte, völlig falsch gewesen war und dass ich ein totales Weichei sei. Die Sachen, die er mir gezeigt hatte, sahen an jenem Tag in meinen Haus für mich so aus, als brächten sie sofort ein Ergebnis.

Aber mir waren die langfristigen Nebeneffekte nicht bewusst, die sich dann erst später zeigten. (Nebeneffekte, die bis heute anhalten). Cherokee und Tex, der Dackel waren bis zu diesem Tag freundlich zu anderen Hunden gewesen.

Aber nach diesem Treffen und meinen neu erlernten Leinenfähigkeiten – eine radikale Abwendung von dem, was ich bis dahin von eher positiv arbeitenden Trainern gelernt hatte  –  wurden sie zunehmend unfreundlicher und reaktiv anderen Hunden gegenüber. Das ging so weit, dass ich nicht länger mit ihnen in den Park gehen konnte und deshalb lief ich mit ihnen nur noch spät abends oder ganz früh am Morgen.

Von jetzt an war jede Mahlzeit stressig, weil sie alle zusammen fressen mussten und ich sie dominieren musste. Ich wurde ein Ober-Kontroll-Freak was die Disziplin betraf. Ich wurde ein Verfechter von CM und empfahl ihn meinen Freunden.

Selbst befreundete FB Anhänger waren nicht mit seinen Methoden einverstanden [Anmerkung Angelika Bodein: ich glaube, hier ist im Original ein Fehler: Ligia meint, dass selbst FB Anhänger die Methoden billigten]. Im Speziellen merkwürdigerweise gerade die Leute, die mit Filas in Not zu tun hatten und ACO-Freunde.

Positiv daran war, dass ich mit meinen Hunden jeden Tag lief und mit ihnen trainierte. Das kann ich leider nicht über meine Hundekompetenz sagen.

Als ich mal wieder ins Ausland verreiste, rief ich beim Psychologischen Zentrum an, um meinen Hund dort 14 Tage unterzubringen. Es war nämlich wegen seiner Rasse nahezu unmöglich, ihn woanders unterzubringen. Er wurde dort angenommen.

Aber eigentlich war es eher ein Boot-Camp. Verschiedene Pit Bulls und Bull-Mischlinge, und menschliche Aufseher, die bereit waren bei jeder Bewegung zu tsssssen, die auch nur entfernt nach Interaktion zwischen den Hunden aussah.

Kleine Hunde wurden in einem Raum zusammen gehalten und alle schliefen sie auf dem selben Kissen

Große Hunde mussten zusammen bleiben und auch zusammen fressen. Viele von ihnen trugen Teletakt-Halsbänder, doch damals hatte ich keine Ahnung, was das war. Cesar erklärte, wie das hier gehandhabt wurde. Ich machte ein Erinnerungsfoto von meinem Hund so als Promi-Erlebnis, sagte Auf Wiedersehen und reiste ab. Ich war völlig entspannt und sicher, dass alles gut ist.

Als ich meinen Hund wieder vom Psychologischen Zentrum abholte, bemerkte ich eine Wunde am Augenlid und ich fragte den Aufseher, woher das käme. Ich bekam keine klare Antwort, weil dieser Aufseher vorher noch nicht da gewesen war und nichts gesehen hatte. Mein Hund trug auch ein Teletakt-Halsband.

Ich fuhr nach Hause und wartete darauf, mit der Person zu sprechen, die ihn während seines Aufenthalts betreut hatte. Mir wurde erklärt, dass mein Hund ein Kämpfer sei, das sei Teil seiner Rasse-Eigenschaften (völliger Quatsch) und dass ich eine Verzichtserkärung unterschrieben hätte. Ich konnte nichts tun.

Gut, dieser Vorfall öffnete mir die Augen. Nach diesem Aufenthalt wurde Cherokees Verhalten sehr merkwürdig, wenn ich das Haus verließ. Er wollte mit mir gehen. Nichts konnte ihn aufhalten. Er war völlig verstört, wenn ich ihn allein ließ. Daneben begann ich auch Rettungshundetraining mit ihm. Ich interessierte mich jetzt sehr für die Arbeitshundewelt, z.B. machte ich mit meinen Dackeln Earth Dog Trials (eine Prüfung, in dem die Arbeitsbereitschaft und die Instinktsicherheit des Hundes getestet wird, Anmerkung Angelika Bodein).

Ich lernte so viel über das Training mit Belohnungen von den Beamten des Sheriff- Büros und der Leute von Earth Trial. Zu dieser Zeit wurde mir klar, welche Auswirkungen aversives und strafendes Training hat.

Mein Fila hatte einen schweren Schaden davon getragen und eine Angststörung entwickelt. Er hat eine Lärm-/Sturm Phobie entwickelt, die für ihn mit Trennungsangst gekoppelt war. Das trat erst auf nach diesen 10 Tagen, als mit ihm „geflüstert“ wurde.

Er wurde zu groß, um weiterhin Rettungshundearbeit zu machen, deshalb nahm ich ein bisschen Hüteunterricht. Da war er auch sehr gut. Ich erfuhr, dass er kein reiner Fila war, sondern auch Mastiff in ihm drin war und das ist etwas ganz anderes.

Auf jeden Fall wurde er dank des Hütetrainings und der Rettungshundearbeit ein gut sozialisierter Hund. Er kommt gut mit anderen Hunden aus, das könnte vielleicht auch eine Folge des Teletakts sein, aber dafür zahlte einen hohen Preis.

Ich kann seine Angststörungen managen, indem ich ausschließlich positive Techniken nutze wie Entspannungsübungen, Bandagen und DAP. Aber es verschwindet nicht, wie ihr in den Videos sehen könnt. Die langfristigen Auswirkungen des Einflusses von Cesar Millan (und das schließt die Anwendung des Teletakts mit ein), waren für meinen Hund verheerend.

Cesar Millan hat eine Fernseh-Show. Ich arbeite in der Unterhaltungsindustrie: Die Produzenten der Show folgen einem Skript und sie müssen ihre Sponsoren bei der Stange halten. Sie schneiden das Filmmaterial stark zusammen, damit lange Entwicklungen von Fehlerkorrekturen kurz wirken und manche der grausamen Methoden vertuscht werden, die er benutzt.

Ebenso andere Sachen, die kaum vorstellbar sind und von denen ich weiß, dass sie bei der Herding Instructor Facility vorkommen. Die sind aber durch vertrauliche Vereinbarungen und andere Verzichtsleistungen geschützt.

Cesar hat keine kynologische Ausbildung und es sieht noch nicht einmal ansatzweise so aus, als ob er verstünde, warum das, was er macht, funktioniert oder welche Langzeitwirkungen es verursacht.

Es gibt viele Hundefachleute, die das Wie und Warum verstehen und sie sagen übereinstimmend, dass die Erklärungen von Cesar meistens Unsinn sind. Fakt ist: Cesar arbeitet für die Fernsehunterhaltung. Er nutzt problematische Techniken mit Hokus-Pokus-Erklärungen und er wird trotz seiner Macho-Allüren häufig verletzt.

Die Belohnung, die ich für meine Erfahrung mit CM erhalten habe: ich habe gelernt, dass ich selbst eine gute Trainerin bin, ich habe viel gelernt über die vier Quadranten, die operante Konditionierung und positive Verstärkung, Duft-Artikel, Abstammung, Arbeit am Vieh, Hundeentwicklung und Wolfsverhalten usw.

Ich habe viele unterschiedliche TrainerInnen und unglaublich effektive Methoden kennen gelernt, die keine Gewalt beinhalten und viel Spaß und Partnerschaft für mich und die Hunde bedeuten.

Lesen Sie den vorherigen Eintrag:
Und weiter geht’s…

Am Sonntag sind Madlen und Lynn beim Freundschaftwettkampf in Böblingen gestartet.  Dabei haben sie wieder zwei 1. Plätze geholt: 1....

Schließen